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Die lange Reise aus dem Indischen Ozean nach Hannover

Die lange Reise aus dem Indischen Ozean nach Hannover

Das LUH-Team der Expedition SO273 Das LUH-Team der Expedition SO273 Das LUH-Team der Expedition SO273
Das LUH-Team der Expedition SO273 kurz vor dem Ausschiffen im Dockyard von Emden – von links: Prof. Dr. Jürgen Koepke (Institut für Mineralogie, Fahrtleiter von SO273), Artur Engelhardt (Doktorand am Institut für Mineralogie), Marie Klose, Anne Achten (beide Masterstudierende der Geowissenschaften), Trutz Bongartz (Bachelorstudierender der Geowissenschaften)
Emdener Dockyard  vom Forschungsschiff Sonne aus aufgenommen Emdener Dockyard  vom Forschungsschiff Sonne aus aufgenommen Emdener Dockyard  vom Forschungsschiff Sonne aus aufgenommen
Bei Ankunft im Emdener Dockyard lagen bereits zwei weitere große Forschungsschiffe der deutschen Flotte am Kai, an dem auch die SONNE anlegte: die Maria S. Merian und die Meteor. Das - coronabedingte - Zusammentreffen dieser drei großen Forschungsschiffe ist wohl einmalig in der Geschichte der deutschen Forschungsflotte.

Die Expedition des Forschungsschiffs SONNE unter Leitung der LUH endete aufgrund der Coronakrise vorzeitig – das Team aus Hannover ist nach langem Transit zurück in der Heimat und zieht trotz des Abbruchs ein positives Fazit

Am 7. März 2020 stach das Forschungsschiff SONNE in Kapstadt in See: Unter wissenschaftlicher Gesamtleitung von Prof. Dr. Jürgen Koepke vom Institut für Mineralogie der LUH reiste ein Team aus Hannover gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Berlin, Bremen, Erlangen und Münster sowie aus den USA, China, Italien und Finnland ins Untersuchungsgebiet Marion Rise im Indischen Ozean. Ein Hauptaugenmerk der geplanten fünfwöchigen Expedition lag auf der Analyse von Gesteinsproben vom Meeresgrund. Nach nur zehn Tagen musste die Forschungsarbeit jedoch aufgrund der Coronakrise abgebrochen werden - nach einer unverhofften Rückreise per Schiff ist das LUH-Team inzwischen wohlbehalten zurück in Deutschland.

Rückblick: Start, Abbruch und Rückreise

Bereits kurz vor Beginn der Expedition ergaben sich Herausforderungen aufgrund der Coronakrise: Das Team aus China musste seine Teilnahme an der Fahrt absagen, die freien Plätze wurden kurzfristig nachbesetzt. Nachdem die Expedition im Untersuchungsgebiet angekommen war, erhielt die Schiffsleitung die Information, dass alle Häfen in Südafrika geschlossen seien. Die für Mitte April geplante Ausschiffung in Durban und Rückreise der Forscherinnen und Forscher per Flugzeug war dadurch nicht mehr möglich. Die SONNE musste stattdessen mit wissenschaftlicher Besatzung und Ausstattung nach Deutschland überführt werden. "Kurz darauf fielen einige wenige Teilnehmer der Wissenschaft an Bord in eine Art Panikzustand. Darüber hinaus hat die US-Gruppe den Zustand der Emergency Evacuation reklamiert, nachdem die US-Regierung alle US-Bürger im Ausland aufgefordert hatte, unverzüglich in die USA zurückzukehren", berichtet Fahrtleiter Koepke. Nach intensiver Diskussion entschieden Schiffs- und Fahrtleitung am 21. März, die Expedition SO273 abzubrechen.

Fünf Tage später erreichte die SONNE die Bucht von Kapstadt, wo sie auf See ihren südafrikanischen Observer ausschiffte - er erreichte seine Heimatstadt zehn Minuten vor dem offiziellen "Lock-Down" Südafrikas. Für die restliche Besatzung begann nun der dreieinhalbwöchige Transit nach Deutschland. "Währenddessen haben wir unter Miteinbeziehung der US-Behörden nach Optionen gesucht, die US-Gruppe von Bord zu bekommen", blickt Koepke zurück. Diskutiert wurde die Überführung auf hoher See auf ein amerikanisches Forschungsschiff, die Übergabe an US-Militärbasen auf der Insel Ascencion oder in Rota (Spanien) sowie das Ausschiffen auf Las Palmas. Letztendlich musste jedoch die komplette US-Gruppe mit nach Deutschland reisen.

Ungenutzt blieb der lange Transit nicht: Auf Anregungen der teilnehmenden Bachelor-, Master- und PhD-Studierenden wurde der "FS Sonne short course on mid-ocean ridge geodynamics" eingerichtet. Die mitreisenden Experten aus Geochemie, Geophysik, Petrologie und Tektonik unterrichteten jeweils zwei Sessions pro Tag. "Dafür wurde den Studierenden, die auch eine Projektarbeit zur Auswertung von bathymetrischen Karten verfassten sowie einen Vortrag in englischer Sprache hielten, eine Bescheinigung über zwei Credit Points ausgestellt", so Koepke.

Zurück in Deutschland

Am 22. April erreichte die SONNE den Hafen von Emden. Dort konnten alle deutschen Teilnehmer das Schiff ohne Quarantäne sofort verlassen und in ihre Heimatstädte reisen - nach 47 Tagen Isolation auf dem Schiff ohne Infektionen. Zwei Tage später konnten auch die vier US-Bürger per Flugzeug in die USA einreisen. Die vier Visa-Holder der US-Gruppe durften hingegen nicht in die USA zurückreisen, sondern mussten sich unverzüglich auf den Weg in ihre Heimatländer machen. "Kritisch ist die Situation eines chinesischen Wissenschaftlers, der zurzeit in den USA an einem Forschungsinstitut arbeitet. Er befindet sich noch immer an Bord der SONNE, weil die chinesische Regierung zurzeit keine Flüge für die Rückholung von chinesischen Bürgern aus Deutschland zulässt", so Koepke. Der nächste - bereits für ihn gebuchte - Flug nach China würde am 12. Mai gehen, sofern er nicht noch gestrichen wird. "Einen Aufenthalt in Deutschland erlaubt die Bundespolizei nicht. Vollkommen unklar wird die Situation, wenn die SONNE am 13. Mai Richtung Nordpolarmeer aufbricht, um logistische Unterstützung für die Expedition Mosaic zu leisten", sagt Koepke.

Fazit und Ausblick

Trotz des Abbruch nach nur zehn Tagen Forschungsfortschritt, wertet Fahrtleiter Koepke die Expedition als erfolgreich: "Es wurde ausreichend hochwertiges Probenmaterial per Dredge-Technik und Tauchroboter genommen, so dass die geochemischen Postcruise-Projekte mit Fokus auf Spurenelemente und Isotopie von Basalten und vor allem Mantelgestein durchgeführt werden können." Auch die geophysikalische Kartierung habe neue Erkenntnisse gebracht, die zu einem vertieften Verständnis über die geotektonische und magmatische Entwicklung von ultra-langsam spreizenden Meeresrückensystemen führen werden. Besondere Highlights: Im Zuge der Kartierung entdeckte das Team zwei neue Seamounts sowie ein "Transpressions"-Massiv, das aus ultradeformiertem Mantelmaterial besteht. "Über die Hintergründe dieser Funde sowie über die relevanten geochemischen Ergebnisse, die sich aus den Analysen der genommenen Gesteinsproben ergeben werden, wird ohne Frage in hochklassigen Journalen berichtet", stellt Koepke in Aussicht.