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Bürgermessstelle für Umweltradioaktivität in der Nähe der Schachtanlage Asse II nimmt Betrieb auf

Bürgermessstelle für Umweltradioaktivität in der Nähe der Schachtanlage Asse II nimmt Betrieb auf

Presseinformation vom
Dr. Wolfgang Schulz, Prof. Dr. Clemens Walther, Bürgermeister Dirk Neumann (Elm-Asse) Dr. Wolfgang Schulz, Prof. Dr. Clemens Walther, Bürgermeister Dirk Neumann (Elm-Asse) Dr. Wolfgang Schulz, Prof. Dr. Clemens Walther, Bürgermeister Dirk Neumann (Elm-Asse)
© Florian Kneifel/Elm-Asse
Die erste Bodenprobe wird in den Detektor gestellt – von links: Dr. Wolfgang Schulz (IRS, LUH), Prof. Dr. Clemens Walther (IRS, LUH), Bürgermeister Dirk Neumann (Elm-Asse)

Forschungsverbund TRANSENS gibt Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, Radioaktivität in ihrer Umgebung selbst zu messen

In direkter Umgebung der Schachtanlage Asse II können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger jetzt an einem Forschungsprojekt beteiligen. Eine neue Bürgermessstelle für Umweltradioaktivität in Remlingen-Semmenstedt gibt Menschen die Gelegenheit, Radioaktivität in ihrer Umgebung selbst zu messen. Denn rund 126.000 Fässer mit leicht- und mittelradioaktiven Abfällen lagern in der Asse. Diese sollen zurückgeholt werden.

Die Bürgermessstelle in Remlingen wird von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz Universität Hannover (LUH) begleitet. Sie ist Teil des Forschungsvorhabens TRANSENS (Transdisziplinäre Forschung zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland), in dem 16 Forschungseinrichtungen und Institute zusammenarbeiten.

Im Projekt TRANSENS werden außerakademische Akteurinnen und Akteure in die wissenschaftliche Arbeit eingebunden, wie der stellvertretende Projektsprecher und Leiter des Arbeitspakets Bevölkerung vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der LUH, Prof. Dr. Clemens Walther, erläutert: "Ein Blick über den deutschen Tellerrand hinaus zeigt uns, dass der möglichst direkte Einbezug der lokalen Bevölkerung in die Messung von Umweltradioaktivität - wie er beispielsweise an der Nevada Test Site in den USA bereits seit den achtziger Jahren praktiziert wird - einen positiven Beitrag zum öffentlichen Diskurs liefern kann. Indem Bürgerinnen und Bürgern vor Ort die Möglichkeit eröffnet wird, eigene Messexpertise aufzubauen, Daten korrekt zu interpretieren und Messeergebnisse konsequent veröffentlicht werden, wird in diesem sensiblen Themenfeld ein wichtiger Beitrag zur informativen Selbstbestimmung in der Bevölkerung geschaffen."

Projekt-Sprecher Prof. Dr. Klaus-Jürgen Röhlig, TU Clausthal, ergänzt: "Wir führen eine intensive Interaktion der Bürgerinnen und Bürger mit Wissenschaftlern in TRANSENS durch - mit unseren Begleitgruppen, zum Beispiel der Arbeitsgruppe Bevölkerung. Neben dieser transdisziplinären Arbeit beforschen wir den Prozess auch im Rahmen der Transdisziplinaritätsforschung. Hier wird von Sozialwissenschaftlern die Interaktion von Bevölkerung und Wissenschaft untersucht. Wir hoffen, mit unseren Forschungsergebnissen einen Beitrag zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Standortauswahlverfahrens leisten zu können, sowohl im Hinblick auf Partizipation als auch auf naturwissenschaftlich-technische Themen."

Die Samtgemeinde Elm-Asse stellt als Partner des Projekts die Räumlichkeiten für den Betrieb der Bürgermessstelle in einem Nebengebäude des Rathauses von Remlingen zur Verfügung. Proben aus dem Boden beziehungsweise aus Früchten, Gras, Wasser und vielem mehr können dort gemessen werden. Ziel ist es, zu ermitteln, welche Radionuklide in den Umweltproben enthalten sind. "Mittels Gamma-Spektrometrie lässt sich eine Vielzahl von radioaktiven Stoffen in praktisch allen Umweltmedien ohne besonders aufwändige Probenvorbereitung sehr genau bestimmen", sagt Dr. Wolfgang Schulz, modulverantwortlicher Wissenschaftler an der LUH. Bürgerinitiativen, Privatpersonen, aber auch Schulen können sich an den Messungen beteiligen. Sie werden dabei von den Expertinnen und Experten der LUH wissenschaftlich angeleitet. Die gesamte Ausstattung der Umweltmessstelle soll nach Ende der Projektlaufzeit (2024) vor Ort bleiben und die Messstelle entsprechend verstetigt werden. Neben der eigentlichen Messarbeit vor Ort soll auch ein umfangreicher Wissenstransfer zum Thema Radioaktivität an Bürgerinnen und Bürger stattfinden. An der Mitarbeit Interessierte können sich unter schulz@irs.uni-hannover.de an Dr. Wolfgang Schulz wenden.

Der niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler lobt das Potenzial des Forschungsverbundes TRANSENS: "Die transdisziplinäre Endlagerforschung hat eine herausragende Bedeutung, denn die Entsorgung radioaktiver Abfälle ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen. Das Land Niedersachsen leistet einen wichtigen Beitrag indem es sich mit 3,75 Millionen Euro an dem Forschungsverbund beteiligt. Ich bin sehr froh, dass nach den pandemiebedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens die Eröffnung der Bürgermessstation möglich wird und bin schon heute auf die Ergebnisse des Forschungsverbunds gespannt."

Im Forschungsverbund TRANSENS wird erstmalig in Deutschland transdisziplinäre Forschung zur nuklearen Entsorgung in größerem Maßstab betrieben. TRANSENS ist ein Verbundvorhaben, in dem 16 Institute beziehungsweise Fachgebiete von neun deutschen und zwei Schweizer Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und im Niedersächsischen Vorab der Volkswagenstiftung vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) von 2019 bis 2024 gefördert (Förderkennzeichen: 02E11849A-J).

Etwa 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen ingenieurtechnischen, naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen arbeiten in vier transdisziplinären Arbeitspaketen zu verschiedenen Aspekten der vertrauensvollen und sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle zusammen. Die Koordination liegt bei der Technischen Universität Clausthal. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, das nach wie vor drängende Problem der Endlagerung radioaktiver Stoffe in Deutschland in einem offenen und integrierenden Diskurs zu lösen. Zentrale Fragen der anwendungsorientierten Forschung sind: Was bedeutet eine eventuelle Rückholung aus einem zu bauenden Endlager für hochradioaktive Abfälle für die Sicherheit der Bevölkerung? Wie müssen Messdaten gewonnen und interpretiert werden? Wie kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Bevölkerung und aufsichtführenden Akteuren erreicht werden? Wie spielen technik- und zeitbedingte Unsicherheiten und Ungewissheiten und Vertrauen in der nuklearen Entsorgung zusammen? Vorrangiges Ziel ist es auch, das Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure besser zu verstehen und Wege aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen Vertrauen wachsen kann.

Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Dr. Wolfgang Schulz, Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der LUH, unter Telefon +49 511 762 3324 oder per E-Mail unter schulz@irs.uni-hannover.de gern zur Verfügung.