Gottfried in a Nutshell #3

Hatte Leibniz‘ Hund eine Seele?

1713 schrieb Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz an Gottfried Wilhelm Leibniz: "Zu Leiptzig habe ich eine rarität gesehen, nemlich einen rechten lebendigen natürlichen Hund, so reden können, zum wenigsten mehr als 50. Worte [...] und das A B C biß auff M N X und Y aussprechen können". Leibniz wurde daraufhin der Hund in Zeitz vorgeführt. Er berichtete an die Pariser Akademie der Wissenschaften unbeeindruckt trocken, der chien parlant könne 30 Wörter aussprechen, darunter die Worte Thé, Caffé, Chocolat und Assemble.

Es ist nicht belegt, ob Leibniz einen Hund hatte. Sicher ist aber, Hunde waren im Alltag des 17. Jahrhunderts allgegenwärtig, ob als streunende Straßenhunde, als Luxushund an den Fürstenhöfen oder eben als kuriose Attraktion. Der französische Philosoph René Descartes hatte das Mechanistische Weltbild geprägt, mit Gott als Uhrmacher, und dem Menschen als "Göttliche Maschine". Tiere sah er als "geist- und vernunftlos" ["animaux sans raison"] an. Als gefühllose Automaten konnten sie seiner Meinung nach weder Schmerz noch Freude empfinden. Einen Platz im Himmel gestand er nur der menschlichen, "vernunftbegabten" Seele zu, denn Tiere hatten keine Seelen. Viele Hunde wurden schlecht behandelt. In England drehten "Turnspit dogs" in hölzernen Laufrädern stundenlang die Fleischspieße in den Küchen. Anderen erging es besser. An den Fürstenhöfen war der Hund ein Status-Symbol. Während die Herren meist Jagdhunde hielten, waren bei den höfischen Damen besonders kleine Rassen beliebt. Man schmückte sich in Frankreich mit einem "Bichon" ["Schoßhund"] in England trugen die adligen Damen den "Comforter" ["Tröster"] als lebendige Wärmflaschen und Seelenwärmer auf dem Bauch. Über ihre Mutter Elisabeth Stuart, die dreizehn Kinder zur Welt brachte, berichtete Kurfürstin Sophie gewohnt scharfzüngig: "Den Anblick ihrer Meerkatzen und Hunde zog sie dem unsrigen entschieden vor". Berühmte Maler, wie van Dyck, Rubens oder Velásquez verewigten die Porträts der herzöglichen 'Herrchens und Frauchens' mit Hund in Öl. Auch Kurfürstin Sophie stellte ihrer Tochter Sophie Charlotte einen Cavalier King Charles Spaniel auf einem Samtkissen auf einem Kinderporträt zur Seite. Das Gemälde entstand während eines Besuchs bei Ludwig XIV. in Versailles 1679. Natürlich hielt man auch am Hof von Hannover leidenschaftlich Hunde. Der "Hundestein", ein Obelisk im Georgengarten südlich des Leibniz-Tempels, soll dem Volksmund nach an die Rettung Sophie Charlottes durch einen Windhund - ein Geschenk Peters des Großen - erinnern. Demnach rettete der Hund die Prinzessin, als sie beim Spielen im Park ins Wasser fiel.

Foto eines Gemäldes, das Sophie Charlotte mit ihrem Hund zeigt Foto eines Gemäldes, das Sophie Charlotte mit ihrem Hund zeigt Foto eines Gemäldes, das Sophie Charlotte mit ihrem Hund zeigt © Foto: Roland Handrick
Sophie Charlotte Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg (1668-1705), (GK I 739), Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Leibniz wusste um die Zuneigung der Welfen zu ihren Hunden. Als er zu Forschungszwecken einen neuartigen Dampftopf des französischen Erfinders Denis Papin anschaffen wollte, weckte er das Interesse seiner "Sponsoren" mit einer humoristischen Protestschrift, geschrieben aus der Sicht von Hunden. Die Hunde beklagen sich darin über das Kochen unter Dampfdruck, welches die Knochen so weichkocht, dass die Menschen sie nun selber essen können. In der elaboriert formulierten Klage berufen sich die Hunde gelehrt auf Homer und die Heilige Schrift. Die Eingabe ist unterzeichnet von "Lailaps", "Amarille" und "Mops". Leibniz saß hier der Schalk im Nacken. Sicher traf die Schrift den Humor seiner Dienstherren und -damen mit Hund. Damals wie heute hatten die Menschen eben auch eine soziale Bindung an ihre Hunde. Herzogin Sophie Charlotte trieb deshalb die Sorge um, ob ihre Hunde seelenlose Maschinen seien und was nach dem Tod mit ihnen geschehe. Leibniz antwortete tröstend: "So viel ist wahr, dass nichts unbedeutend ist oder sich im All verliert, auch nicht die Hunde von Madame, die wie alle Tiere ohne Zweifel Maschinen sind, aber jeder eine Maschine beseelt durch seine unvergängliche Einheit, welche das ist, was man Seele nennt [...]." Für Leibniz ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier nur ein "gradueller". Alle Lebewesen bestehen für ihn aus einer unteilbaren, zeitlos existenten, von Gott geschaffenen Einheit ("Monade"). Da nur der Mensch fähig sei zur geistigen Reflexion und Vernunft, gelange die menschliche Seele, ohne Verlust ihrer "Persönlichkeit" in den Himmel. Tiere, so Leibniz, seien aber fähig, Freude und Schmerz zu empfinden. Ihre Seelen sind ebenfalls unendlich, nach dem Tod gehen sie auf in der Natur. Denn "der Tod ist nichts anderes als Einfaltungen und Ausfaltungen eines wahren und immerwährenden Lebens". Die Herzogin antwortete erleichtert: "Das die thier nicht ganzt absterben tröst mich sehr vor Meine lieben hunden, Descartes opinion von das uhrwerk, ist mir ser abgeschmackt vorkommen". Den Erzbischof von Reims, einen Anhänger von Descartes Theorien von den seelenlosen Tieren, konfrontierte die Herzogin darauf mit folgender Frage: "Wenn Sie eifersüchtig sind, sind Sie dann Maschine oder Mensch, denn neben Ihnen kenne ich nichts Eifersüchtigeres als meine Hunde; darum möchte ich wissen, ob dies die Bewegung einer Maschine ist oder eine Leidenschaft der Seele." Der Bischof "wurde böß undt gieng fort ohne antwort". Leibniz war nicht der Meinung, "dass man die Menschen beleidigt, wenn man ihnen nicht das ausschließliche Privileg einräumt, dass sie als Einzige Seelen haben". Denn das hieße: "Vom Reichtum der Natur eine sehr geringe Meinung haben, wenn man ihm so enge Grenzen setzt."

Mein Hund hätte Leibniz gemocht!

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Dr. Ariane Walsdorf
Referat für Kommunikation und Marketing
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