Mangel weckt den Appetit auf Fleisch

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Detailaufnahme: Klebefallen an den Blättern der Pflanze Triphyophyllum peltatum Detailaufnahme: Klebefallen an den Blättern der Pflanze Triphyophyllum peltatum Detailaufnahme: Klebefallen an den Blättern der Pflanze Triphyophyllum peltatum
© Traud Winkelmann, LUH
Ein karnivores Blatt von Triphyophyllum peltatum mit Drüsen, die zum Fang von Insekten eine klebrige Flüssigkeit absondern.
Blatt der Pflanze Triphyophyllum peltatum Blatt der Pflanze Triphyophyllum peltatum Blatt der Pflanze Triphyophyllum peltatum
© Traud Winkelmann, LUH
Ein Blatt von Triphyophyllum peltatum, das beim Wechsel ins Lianenstadium Haken ausbildet.

Unter bestimmten Umständen entwickelt sich eine seltene Tropenpflanze zum Fleischfresser - ein Forschungsteam der Universitäten in Hannover und Würzburg hat jetzt den dafür verantwortlichen Mechanismus entschlüsselt

Das Haken- oder Dreifaltigblatt – mit wissenschaftlichem Namen Triphyophyllum peltatum genannt – ist eine einzigartige Pflanze. Beheimatet in den Tropen Westafrikas, ist die Lianenart aufgrund ihrer Inhaltsstoffe für die medizinisch-pharmazeutische Forschung von großem Interesse: Diese zeigen im Labor vielversprechende medizinisch nutzbare Aktivitäten unter anderem gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs und Leukämiezellen sowie gegen die Erreger von Malaria und anderen Krankheiten.

Interessant ist das Hakenblatt allerdings auch aus Sicht der Botanik: Triphyophyllum peltatum ist die einzig bekannte Pflanze weltweit, die sich unter bestimmten Umständen zum Fleischfresser entwickeln kann – von Karnivoren spricht die Wissenschaft in diesem Fall. Auf ihrem Speiseplan stehen dann kleine Insekten, die sie mit Hilfe von Klebfallen in Form von Sekrettropfen festhalten und mit speziellen Enzymen verdauen kann.

Hohe Flexibilität in den Entwicklungsphasen

Beobachten lässt sich das an den Blättern der Pflanze, die je nach Entwicklungsstadium drei verschiedene Typen ausbilden. Während in der Jugendphase zunächst einfache Laubblätter entstehen, können später so genannte „Fallenblätter“ gebildet werden, die eine Vielzahl von Klebefallen tragen. Wenn diese Fangblätter ihren Zweck erfüllt haben, bildet die Pflanze entweder wieder normale Laubblätter oder – wenn die Pflanze ins Lianenstadium eingetreten ist – Blätter mit zwei Haken an der Spitze als Kletterorgan.

Was die Ausprägung der Blattidentität angeht, zeigt Triphyophyllum peltatum eine hohe Flexibilität: Die Entwicklungsstadien können unterschiedlich lang sein, das karnivore Stadium kann komplett ausfallen oder zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Damit scheint sich die Pflanze an die augenblicklichen Gegebenheiten ihres Lebensraums anzupassen.

Erfolg im Gewächshaus

Welcher Auslöser die Pflanze zum Fleischfresser macht, war bisher unbekannt. Ein Grund dafür war unter anderem die Tatsache, dass Triphyophyllum peltatum als sehr schwierig zu kultivieren galt und deshalb die Bildung von Fangblättern nur schwer experimentell untersucht werden konnte. Dieses Problem haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leibniz Universität Hannover (LUH) und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gelöst.

Ihnen ist es zunächst gelungen, das Hakenblatt im Gewächshaus des Botanischen Gartens Würzburg, dann auch in Hannover, zu kultivieren. Zudem gelang es, die Pflanze in großen Stückzahlen unter In-vitro-Bedingungen, das heißt in Kulturgefäßen auf wohldefinierten Nährmedien, zu vermehren.

Daran beteiligt waren Professorin Traud Winkelmann vom Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme der Universität Hannover und ihre Kollegin Anne Herwig vom Institut für Bodenkunde der LUH sowie die Würzburger Professoren Gerhard Bringmann (Institut für Organische Chemie) und Rainer Hedrich (Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften).

Phosphormangel löst die Verwandlung aus

Was jedoch noch bedeutsamer ist: Mit Hilfe dieser Pflanzen konnte das Forschungsteam den Faktor identifizieren, der die Verwandlung zum Fleischfresser in Gang setzt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen hat das Team jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift New Phytologist veröffentlicht.

„Wir haben die Pflanze verschiedenen Stressfaktoren, darunter Mangel an verschiedenen Nährstoffen, ausgesetzt und untersucht, wie sie jeweils darauf reagiert. Nur in einem Fall konnten wir die Bildung von Fallen beobachten: bei einem Mangel an Phosphor“, fasst Traud Winkelmann das zentrale Ergebnis der Studie zusammen. Tatsächlich reiche bereits ein stark reduziertes Angebot an Phosphor aus, um die Entwicklung zur fleischfressenden Pflanze in Gang zu setzen, so die Wissenschaftlerin.

An ihrem ursprünglichen Standort in afrikanischen Tropenwäldern auf nährstoffarmen Böden kann Triphyophyllum peltatum somit einer drohenden Mangelernährung ausweichen, indem die Pflanze Fallen bildet und über die Verdauung ihrer Insektenbeute an das wichtige Nährelement kommt. „Diese neuen Erkenntnisse sind ein Durchbruch, weil sie zukünftige molekulare Analysen erlauben, die die Ursprünge der Karnivorie verstehen helfen“, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überzeugt.

Originalpublikation:

Winkelmann, T., Bringmann, G., Herwig, A. and Hedrich, R. (2023): Carnivory on demand: phosphorus deficiency induces glandular leaves in the African liana Triphyophyllum peltatum. New Phytologist. doi: 10.1111/nph.18960

Über New Phytologist  

New Phytologist ist eine führende internationale Fachzeitschrift mit einem Fokus auf qualitativ hochwertige, innovative Forschung auf dem Gebiet der Pflanzenwissenschaften – von intrazellulären Prozessen bis zu globalen Umweltveränderungen. Herausgeber ist die New Phytologist Foundation, eine gemeinnützige Organisation, die sich der Förderung der Pflanzenwissenschaften widmet. https://www.newphytologist.org/ 

Hinweis an die Redaktion:

Für weitere Informationen stehen Ihnen gerne zur Verfügung:

Prof. Dr. Traud Winkelmann, Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme, Leibniz Universität Hannover, Telefon +49 511 762 3602, traud.winkelmann@zier.uni-hannover.de  

Prof. Dr. Gerhard Bringmann, Institut für Organische Chemie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Telefon +49 931 31-85323, bringman@chemie.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Rainer Hedrich, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Telefon +49 931 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de