Kernig sieht er aus. Karo-Hemd, Bleistift hinterm Ohr, ein Auge zugekniffen nimmt er lächelnd Maß. Das Titelbild der Zeitschrift „Selbst ist der Mann“ von 1978 zeigt einen stolzen Heimwerker. Doris Blum jedenfalls ist mehr als begeistert und schwärmt in einem Leserbrief: „Ich bin hin- und hergerissen. Allein das nordische Blond der etwas widerspenstigen Haare. (…) Die kühne, an den römischen Feldherrn Cäsar erinnernde Nase als Mittelpunkt des mir schon längst vertraut vorkommenden Gesichts. Dazu die wie Perlen aufgereihten Zähne.“ Zehn Jahre nach den Unruhen von 1968 ein Heimwerker als Objekt weiblicher Sehnsüchte in der Bundesrepublik?
In den 70er Jahren habe die Heimwerkerwelle in der Bundesrepublik Deutschland einen Höhepunkt erlebt, sagt Jonathan Voges. Nicht nur zu dieser Zeit sei in den Magazinen eine Form von Maskulinität konstruiert worden. Die Bilder von heimwerkerrelevanter Männlichkeit hätten sich allerdings im Lauf der Jahre gewandelt. Für seine Promotion am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover hat Voges „Die Do it yourself-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland in sozial-, konsum- und unternehmenshistorischer Perspektive“ untersucht.
Die Anfänge gehen demnach auf die Nachkriegszeit zurück. Anfang der 50er Jahre flogen deutsche Journalisten in die USA und nahmen erstmals wahr, dass es dort eine Tendenz gab, Reparaturen und auch Renovierungsarbeiten selbst zu übernehmen. In der noch jungen Bundesrepublik war dieser Gedanke zunächst fremd, dafür gab es Handwerker, ausgebildete Fachkräfte, die so etwas professionell erledigen. Erst in den späten 50ern setzte ein Umdenken ein. Mit der Übernahme von Heimwerkerarbeiten konnte man nicht nur Geld sparen, sondern auch die Kontrolle behalten.
Die Hobbyhandwerker mussten ihren Bedarf vorerst im spezialisierten Einzelhandel decken; Baumärkte gab es noch nicht. Die Inspiration kam erneut aus den USA. Mitte der 60er reisten die Gründer der Baumarktketten Hornbach und Max Bahr in die Staaten, um sich dort über Baumärkte zu informieren, die bereits in großem Stil den Bedarf von Privatleuten deckten. 1957 erschien erstmals die Zeitschrift „Selbst ist der Mann“. Der erste Hornbach-Bau-Supermarkt, so die damalige Bezeichnung, in der Bundesrepublik Deutschland eröffnete 1968 unter dem Namen „Alles fürs Heimwerken“.
War die Resonanz am Anfang noch verhalten, setzte in den frühen 70er Jahre eine Gründungswelle von Baumärkten ein, die bis zur Mitte des Jahrzehnts anhalten sollte. Als Folge davon gingen die Aufträge an Fachkräfte zurück. Handwerker riefen zum Boykott auf und zogen den Vergleich, dass Medikamente ja auch nur über den Fachhandel in der Apotheke zu beziehen seien. Gleichzeitig inszenierten sich Prominente wie Peter Frankenfeld als Heimwerker. Spätestens an diesem Punkt wird klar, dass längst keine ökonomische Notwendigkeit mehr bestand, sich selbst zu betätigen, sondern dass es vielmehr längst darum ging, sich in seiner Freizeit sinnvoll zu betätigen.
Heimwerken war lange Zeit eine reine Männerdomäne; Frauen hätten genug mit dem Haushalt zu tun, lautete ein oft vorgebrachtes Argument. Wenn sie zusätzlich noch heimwerken würden, kämen sie leicht auf eine Wochenarbeitszeit von 60 Stunden und das wäre unzumutbar. In der Zeitschrift „Selbst ist der Mann“ gab es zwar unter dem Titel „Selbst ist die Frau“ auch eine Rubrik für Damen. Dort gab es jedoch ausschließlich Basteltipps und Dekorationsanleitungen für ein behagliches Heim. Einen Gegenentwurf formulierte die Zeitschrift EMMA, die Frauen dazu aufforderte, sich als Heimwerkerinnen selbst zu betätigen.
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre kam es zur Baumarktkrise: Es gab zu viele Märkte für zu wenige Kunden. Außerdem tauchten erste Imageprobleme auf, die Märkte seien dreckig und die Beratung sei schlecht, hieß es. Zu dieser Zeit seien Ketten wie Praktiker oder Franchisesysteme wie OBI auf den Markt gedrängt, berichtet Jonathan Voges, der für seine Arbeit überwiegend auf Recherche in Firmenarchiven unterwegs war: „Dass dieses Angebot attraktiv war, lässt sich genauso an der Zahl derer ablesen, die im Verlauf der Jahrzehnte der sogenannten „Do it yourself-Bewegung“ zuströmten, wie auch an den Millionenumsätzen, die mit ihren auf Eigenproduktion beruhenden Konsummustern von Unternehmen unterschiedlicher Branchen erwirtschaftet werden konnten.“ Die Relevanz des Heimwerkens an sich ergebe sich daraus, dass es eine Möglichkeit anbot, sich in der Nachkriegskonsumgesellschaft und in der so oft postulierten „Freizeitgesellschaft“ einzurichten und sich dennoch auch als Produzent wahrzunehmen.
Hinweis an die Redaktionen
Für weitere Informationen steht Ihnen Jonathan Voges, Historisches Seminar, Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 4428 oder mobil unter 01575 011 5907 per E-Mail unter jonathan.voges@hist.uni-hannover.de gern zur Verfügung.