Immer wieder erreichen uns in der Schwerbehindertenvertretung Fragen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zur Dauer des Krankengeldes und "was eigentlich passiert, wenn das Krankengeld ausläuft". Wir wollen heute versuchen, in dieses Dickicht etwas Licht zu bringen[1].
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Wer als Angestellter oder Angestellte erkrankt, hat Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Nach sechs Wochen muss der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin kein Gehalt mehr an seinen Arbeitnehmer oder seine Arbeitnehmerin überweisen. Mit der Einsparung der Lohnkosten kann der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin eine Ersatzkraft bezahlen. Der oder die Beschäftigte erhält ab jetzt von seiner/ihrer Krankenkasse Krankengeld anstatt des bisherigen Gehalts. Dies wird auch als Lohnersatzleistungen bezeichnet.
Wie lange gibt es Krankengeld?
Die Krankenversicherung zahlt für maximal 72 Wochen innerhalb von drei Jahren Krankengeld. Die sechs Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin werden zu den 72 Wochen Krankengeld der Krankenversicherung addiert, sodass insgesamt 78 Wochen "Krankengeld" gezahlt werden. Voraussetzung ist, dass die "Krankschreibung" durch den behandelnden Arzt/Ärztin (oder der Urlaubsvertretung) lückenlos erfolgt und bei der Krankenkasse innerhalb einer Woche die Folgebescheinigung eingereicht wird. Wer dies versäumt riskiert, dass die Krankenversicherung die Zahlung des Krankengeldes für die Zeit danach einstellt.
Gut zu wissen: Egal ob der Kalendermonat 28, 30 oder 31 Tage hat, gezahlt werden 30 Tage. Die Höhe des Krankengeldes beträgt 70% des Bruttolohns (maximal 90 % des Netto-Einkommens).
Was passiert eigentlich, wenn die Erkrankung länger als 78 Wochen anhält?
Das Krankengeld erlischt nach maximal 78 Wochen. Die Krankenkassen sind dann nicht mehr zuständig und stellen die Zahlung des Krankengeldes ein. Dies wird auch als "Aussteuerung" bezeichnet. Eine weitere Folge für die Betroffenen ist, dass sie ab dem Zeitpunkt auch nicht mehr Kranken- und Pflegeversichert sind. Wichtig in diesem Zusammenhang zu wissen ist: Während des Bezuges von Krankengeld erhalten die Krankenversicherungen keine Beiträge von den erkrankten Versicherten.
Und so geht's weiter
Die erkrankten Betroffenen haben nach Ablauf des Krankengeldes folgende Möglichkeiten, um die laufenden Kosten bezahlen zu können:
1. Die Agentur für Arbeit zahlt Arbeitslosengeld: Wer trotz Erkrankung seinen Arbeitsplatz behalten hat, hat nach der Aussteuerung aus der Krankenkasse Anspruch auf Minimum zwölf Monate Arbeitslosengeld. Dadurch werden auch die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt. Der Versicherungsschutz ist wieder gegeben.
Gut zu wissen: Wer bei der Agentur für Arbeit den Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen möchte sollte dabei beachten, dass sich die Arbeitsunfähigkeit auf den "alten Arbeitsplatz" des bestehenden Arbeitsverhältnisses bezieht. Bedeutet: Die Beschäftigten müssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den "allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen". Nur dann gewährt die Agentur für Arbeit das Arbeitslosengeld. Wer eine Vollzeitstelle hat sollte auch für eine "Vollzeitstelle zur Verfügung stehen". Warum? Wer auf Teilzeit reduziert riskiert finanzielle Abstriche, da das Arbeitslosengeld sich dann von der Teilzeitstelle berechnet.
2. Die Rentenversicherung: Ein Anspruch auf Zahlungen aus der Rentenversicherung ergibt sich nach erfolgter Prüfung auf Erwerbsminderungsrente. Hierfür wird bei der Rentenversicherung ein Antrag auf Prüfung auf eine Teil- oder Vollerwerbsminderungsrente gestellt. Dies kann allerdings einige Zeit (Wochen oder Monate) in Anspruch nehmen. Solange die Prüfung läuft, bezahlt die Agentur für Arbeit das Arbeitslosengeld. Hiervon werden dann auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt. Es gilt in diesem Zusammenhang die Nahtlosigkeit zu berücksichtigen.
3. Resturlaub: Wer noch Resturlaub hat kann auch diesen einsetzen, um wieder Kranken- und Pflegeversichert zu sein. Wird der Resturlaub eingesetzt gelten die Betroffenen als "gesund" und der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin bezahlt wieder das Gehalt, von dem die Kranken- und Pflegeversicherung geleistet werden. Zudem wird vermieden, dass "alter Urlaub verfällt" (wird bei Langzeiterkrankung für 15 Monate gewährt und auch nur für im Krankheitsjahr entstandenen gesetzlichen Urlaub. Bei Beschäftigten mit einem GdB mindestens 50 wird zum gesetzlichen Urlaubsanspruch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte von 5 Tagen gewährt. Ein Tarifurlaub wird nicht gewährt).
Was gibt es zu beachten?
1. Beim Bezug von Krankengeld entsteht eine weitere Erkrankung - verlängert sich dadurch die Dauer des Krankengeldanspruchs?
Tritt zu einer bestehenden Krankheit mit Krankengeldanspruch eine weitere Erkrankung auf, erneuert oder verlängert dies die Dauer des Krankengeldanspruchs generell nicht.
2. Unterbrechung zwischen zwei Erkrankungen - besteht dann ein neuer Krankengeldanspruch von 78 Wochen?
Wird zwischen zwei Erkrankungen wieder gearbeitet besteht ein erneuter Krankengeldanspruch für 78 Wochen nur dann, wenn es zwischen den zwei Erkrankungen keinen ursächlichen Zusammenhang gibt. Was bedeutet das? Ursächlich meint, dass kein Anteil oder Indiz bei beiden Erkrankungen gemeinsam vorhanden sein darf. Handelt es sich allerdings um zwei voneinander unabhängige Erkrankungen (Diagnosen) entsteht ein neuer Krankengeldanspruch für weitere 78 Wochen.
Gut zu wissen: Häufig versuchen die Krankenversicherungen jedoch einen "Zusammenhang" der beiden Erkrankungen herzustellen, indem "gemeinsame Indizien" (z.B. Symptome) gesucht und gefunden werden. Sie "kündigen das Krankengeld einseitig auf" (Aussteuerung) und handeln nach "Aktenlage".
Hier empfehlen wir die Kontaktaufnahme zu einem Fachanwalt für Sozialrecht oder die Beratung durch einen Sozialverband wie beispielsweise den SoVD oder den VdK. Denn oft stellt sich heraus, dass die Krankenkassen mit ihrer Einschätzung falsch liegen.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis zur "Block- oder Sperrfrist"
Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass die sogenannten Block- oder Sperrfristen in Zusammenhang mit der Krankengeldzahlung stehen. Die Block- oder Sperrfrist beginnt, sobald Beschäftigte zum ersten Mal wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig sind. Die Block- oder Sperrfrist dauert drei Jahre. Innerhalb dieser Zeit werden für maximal 78 Wochen Krankengeld bezahlt. Dauert die Erkrankung länger als 78 Wochen und hält die Block- oder Sperrfrist noch an, wird kein Krankengeld mehr bezahlt.
[1] Quellen: https://www.sovd-sh.de/aktuelles/meldung/neue-krankheit-neue-blockfrist-wieder-krankengeld
Matthias Gillmann, Jurist (Arbeits- und Sozialrecht) von Gillmann und Partner, https://www.gillmann-partner.com/